Wir erinnern uns: Auf Anforderung des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments erschien im September 2023 ein 180 Seiten langer Bericht, der sich mit dem Thema Transparenz und Rechenschaftspflicht bei EU-Finanzmitteln für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beschäftigte. Erstellt hatte ihn die Abteilung für Budget-Angelegenheiten innerhalb der Generaldirektion Interne Politik (DG IPOL), die für die Unterstützung der parlamentarischen Ausschüsse in Fragen der Haushaltspolitik zuständig ist. Der Bericht beklagte mangelnde Transparenz und Aufsicht bei der Förderung von NGOs. Die Niederländische Tageszeitung De Telegraaf forschte nach und fand 2023 heraus, dass Interessengruppen über die EU-Plattform „Business & Biodiversity” Tipps erhielten, wie sie zögernde Politiker im Europaparlament beeinflussen können, damit sie für das Naturwiederherstellungsgesetz stimmen.
Ende 2024 berichtete Table Media, dass die von Frans Timmermans geleitete Generaldirektion Umwelt (DG Umwelt) in nicht öffentlichen Verträgen mit verschiedenen NGOs detaillierte Absprachen getroffen hatte: Die Vereine sollten im Gegenzug für eine bis zu sechsstellige Förderung Parlamentarier lobbyieren und Standpunkte vertreten, die teils gegen Kommissionspositionen verstießen. Wenige Wochen später legte De Telegraaf nach und berichtete u.a., dass das European Environmental Bureau, der europäische Dachverband grüner Organisationen, während der Amtszeit des Kommissars Frans Timmermans im Gegenzug für eine Förderung den ausdrücklichen Auftrag erhielt, mindestens 16 Beispiele zu nennen, in denen das Europaparlament dank ihrer Lobbyarbeit grüne Gesetzestexte ambitionierter gestaltet habe. Seitens der Kommission wurden sogar Namenslisten von Politikern übermittelt, die gezielt angesprochen werden sollten. Europäische Abgeordnete, die Zugang zu den Verträgen hatten, sowie der derzeitige EU-Budget-Kommissar Piotr Serafin, gaben diese Praxis ebenfalls zu.
Verletzung demokratischer Grundprinzipien
Der Skandal liegt hierbei in der verdeckten Einflussnahme der Exekutive auf die Legislative – ein massiver Verstoß gegen demokratische Grundprinzipien. Auf die massive Kritik reagierten grüne Lobbyisten mit der Umdeutung, die Kritik richte sich gegen die Finanzierung von NGOs durch Mittel aus dem EU-Haushalt. Dem Politico-Magazin wurde während dieser Diskussionen eine Auswahl von Verträgen vorgelegt, in denen sich keine anstößigen Passagen fanden. Fortan galt die Behauptung, Kommission und NGOs hätten eine verdeckte Einflussnahme auf das Parlament verschleiert, als „rechtes Narrativ“, „Lüge“ und „FakeNews“ – selbst dann noch, als Die Welt im Juni weitere Verträge in Augenschein nahm und noch weitaus skandalösere Details berichtete.
Nun hat die Affäre ein juristisches Nachspiel. Am 23. Juli hat der Europäische Steuerzahlerbund (Taxpayers Association of Europe TAE) Strafanzeige und Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft München sowie der EU-Staatsanwaltschaft in Luxemburg gegen die beiden ehemaligen Mitglieder der EU-Kommission Frans Timmermans und Virginius Sinkevičius gestellt. Timmermans war von 2019 bis 2023 Kommissar für Klimaschutz, Sinkevičius Kommissar für Umwelt und Ozeane von 2019 bis 2024. Die Anzeige erfolgt wegen Verstoß gegen die Gewaltenteilung und Verstoß gegen die Werte und Ziele der EU. Es sei „ein demokratisch zutiefst befremdliches Handeln, sollten Teile der Exekutive (Kommission) versucht haben, andere Teile zu beeinflussen, insbesondere das Europäische Parlament (Legislative) – die einzige direkt gewählte EU-Institution“, begründet der Steuerzahlerbund seine Entscheidung. Sollten Mittel „ohne angemessene Kontrolle oder Beteiligung anderer EU-Organe“ gezahlt worden sein, „wäre dies eine nicht hinnehmbare Verletzung geltenden Rechts“. Es gehe, so Michael Jäger, Präsident des TAE, um die „generelle strafrechtliche Verantwortlichkeit der Amtsträger der Kommission für das Haushaltsvermögen der EU“.
Es sei ihm wichtig, so Jäger, dass die Kritik und die Anzeige sich nicht gegen eine Förderung von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) richte. Es gehe vielmehr um den Verstoß gegen die Gewaltenteilung und darum, „dass die Vergabe öffentlicher Mittel – egal ob von der EU oder national – nach klaren und transparenten Regeln erfolgt und überprüft wird, ob diese Mittel dann dem Zweck entsprechend verwendet wurden“. Nicht zulässig könne es sein, dass EU-Gelder genutzt würden, um gegen die Ziele der EU zu arbeiten.