Rechenzentren? Nein, danke!

Veröffentlicht: November 11, 2025

Erst vergangene Woche haben Jensen Huang (Nvidia) und Timotheus Höttges (Deutsche Telekom) ihr Projekt Industrial AI Cloud vorgestellt. Beide müssen sich auf staatsfinanzierten Widerstand einstellen.

Rechenzentren sind die neuen Atomkraftwerke – zumindest aus Sicht zahlreicher Aktivisten, die gerade den Kampf dagegen aufnehmen. Finanziert werden sie nicht nur von US-amerikanischen Milliardären. Auch die deutsche Bundesregierung, die Milliarden in die Errichtung von KI-Infrastruktur investiert und Deutschland zu einem „Leuchtturmstandort“ für Rechenzentren machen will, fördert den Widerstand dagegen finanziell sowohl über das Umwelt- als auch das Verbraucherschutzministerium. Selbst aus dem Förderprogramm Demokratie Leben bekommt eine der NGOs Unterstützung.

Die 2018 beschlossene und seither von allen Bundesregierungen fortgeschriebene KI-Strategie sieht vor, in Deutschland „KI-Ökosysteme“ zu entwickeln: „Wir etablieren Deutschland als KI-Nation. Das bedeutet massive Investitionen in die Cloud- und KI-Infrastruktur sowie in die Verbindung von KI und Robotik“, steht im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Dafür hat die Politik bis heute 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, Stand Februar 2024 war knapp die Hälfte davon ausgegeben. Hinzu kommen flankierende Maßnahmen der einzelnen Bundesländer, die ebenfalls strategische Ziele und konkrete Maßnahmen zur Entwicklung der KI verabschiedet haben. Die Ansiedlung von Rechenzentren ist dabei ein Kernbestandteil der Förderungspolitik. Zusätzlich zu einer Vielzahl von Maßnahmen in Bund, Ländern und Gemeinden hat Digitalminister Karsten Wildberger in seinem Ministerium eine eigene „Nationale Rechenzentrumsstrategie“ aufgesetzt. Deutschland soll als Rechenzentrumsstandort der „Leuchtturm Europas“ werden.

Und tatsächlich planen in München die Deutsche Telekom und Nvidia den Bau eines Rechenzentrums mit Investitionskosten von etwa einer Milliarde Euro. Microsoft will ein Rechenzentrum für Clouddienste und Künstliche Intelligenz in Nordrhein-Westfalen bauen und dafür mehr als drei Milliarden Euro investieren.

Alter Kampf mit neuen Zielen

Doch ob daraus etwas wird, steht in den Sternen. Denn zahlreiche Initiativen und Campaigner, die seit Jahrzehnten daran gearbeitet haben, gegen die zuverlässigste und sauberste Form der Energieerzeugung zu kämpfen – die Kernenergie –, haben jetzt den Kampf gegen Rechenzentren als neues Betätigungsfeld entdeckt. Die geradezu irrwitzige Begründung: Dafür haben wir nicht genug sauberen Strom.

Der Schritt ist logisch, denn zahlreiche Anti-AKW-Campaigner sind mit dem Atomausstieg, den die CDU-geführte Koalition gerade unumkehrbar vollendet, arbeitslos geworden. Zudem ist die Gelegenheit günstig: NIMBY (Not in my backyard)-Initiativen, die bereits in zahlreichen Städten gegen Rechenzentren laufen, offenbaren bislang ungehobenes Protestpotenzial: zu laut, zu hässlich, zu viel Abwärme, zu viel Lieferverkehr. Solches Unbehagen lässt sich hervorragend für Kampagnen und Spendensammelaktionen nutzen.

Zum Beispiel in Bergheim bei Köln, dem geplanten Standort des Rechenzentrums von Microsoft: Dort ist der BUND, der in den vergangenen Jahrzehnten beinahe jeden Monat gegen Atomkraft protestierte, bereits aktiv geworden. Praktischerweise liegt Bergheim in Sichtweite des von Aktivisten heiß umkämpften Braunkohleabbaureviers der RWE. Die Besatzer des Hambacher Forsts, die noch immer das so genannte „Sündenwäldchen“ bewohnen (die endgültige Räumung steht unmittelbar bevor), können also gleich in der Gegend bleiben.

Längst haben sich auch militante Gruppierungen dem „Widerstand“ gegen Rechenzentren angeschlossen. Wie Die Tagesschau Anfang November berichtete, gab es in Berlin den ersten politisch motivierten Brandanschlag gegen ein geplantes Rechenzentrum, den Datencenter-Campus der Firma Virtus. Dieser stehe „im krassen Kontrast zu den verheerenden Folgen, die der großangelegte Ausbau der digitalen Infrastruktur und die immer mächtiger werdende KI auf unser Leben und unsere Umwelt haben“, hieß es in einem Bekennerschreiben.

Alte Akteure – neue Vereine

Doch die Aussicht auf ein neues Geschäftsfeld, neue Arbeitsplätze und Spendeneinkünfte ruft auch neue Akteure auf den Plan. Ex-Campaigner von Greenpeace und Anti-Atom-Initiativen wie „.ausgestrahlt“ haben sich NGOs angeschlossen, die bislang andere Schwerpunkte hatten. Sie bereiten offenbar eine groß angelegte Kampagne gegen Rechenzentren vor. Statt gegen den Atomstaat, die Atom-Lobby und den Atomtod soll es nun offenbar gegen den KI-Staat, die KI-Lobby und den Klimatod durch Rechenzentren gehen.
Eine Koalition aus verschiedenen großen NGOs bringt sich bereits entsprechend in Stellung. Ihre Kampagne bereitete sie mit einer Art Kickoff-Umfrage vor, die – welch Zufall – ergibt, dass sich die Bevölkerung in fünf europäischen Ländern vor Rechenzentren fürchtet. Denn die verbrauchen angeblich viel zu viel Strom und viel zu viel Wasser: „Mehr als die Hälfte der Befragten ist besorgt, dass der Wasserverbrauch von Rechenzentren ihre Wasserversorgung (57 Prozent) oder die umliegenden Ökosysteme (63 Prozent) beeinträchtigen könnte. Zwei Drittel (69 Prozent) sind der Ansicht, dass neue Rechenzentren nur gebaut werden sollten, wenn sie ihren Strom aus erneuerbaren Energiequellen beziehen“ – lauter Aussagen, die sich wundersamerweise mit den Forderungen der beteiligten NGOs decken.

Führende Mitglieder der Anti-Rechenzentren-Koalition aus Deutschland sind Beyond Fossil Fuels und Algorithm Watch. Für beide ist das Thema neu. Algorithm Watch kümmerte sich bislang vor allem um die gesellschaftlichen Auswirkungen von automatisierten Entscheidungssystemen und künstlicher Intelligenz. Die Auswirkungen auf das Klima wurden bis vor kurzem nicht thematisiert. Das hat sich geändert, seit Dr. Julian Bothe als „Senior Policy Manager für KI und Klimaschutz“ an Bord ist. Bothe ist ein alter Anti-AKW-Kämpfer. Er war jahrelang „Campaigner Klimaschutz und Atomkraft“ bei der NGO .ausgestrahlt. Nachdem diese günstige und CO₂-arme Form der Energiegewinnung nun erfolgreich zerstört ist, bekämpft er jetzt die Konsequenzen des von ihm selbst vorangetriebenen Atomausstiegs: den Mangel an Strom und die Folge, dass jetzt womöglich mehr Gas und (Braun)kohle verbrannt werden müssen.

Das Gleiche gilt für Beyond Fossil Fuels (hervorgegangen aus der Kampagne „Europe Beyond Coal“), eine Dachorganisation von mehr als 60 europäischen NGOs, die ihre Mitglieder bei ihren Aktionen für einen „gerechten Übergang“ zu einem fossilfreien, vollständig erneuerbaren Stromsektor bis 2035 unterstützt und die Aktivitäten koordiniert. Waren die Themen der NGO bislang vor allem fossile Brennstoffe, Verbrennerautos sowie Solar- und Windenergie, änderte sich das vor etwa einem Jahr. Auch hier sind Campaigner von Organisationen an Bord, die jahrelang gegen Atomkraft gekämpft haben: Etwa die Hälfte der Direktoren und Campaigner war vorher bei Greenpeace. Im Vorstand der Organisation sitzen unter anderem eine Vertreterin von Greenpeace und ein Vertreter der Deutschen Umwelthilfe. Auch unter den Mitgliedern sind zahlreiche Organisationen, die sich in den vergangenen Jahren am Kampf gegen Atomkraft beteiligt haben. Im November 2024 warnte Beyond Fossil Fuels erstmals vor Rechenzentren. Die könnten die Stromversorgung Europas belasten und Klimaschutzmaßnahmen gefährden. Es gebe nämlich schlicht nicht genug Wind- und Sonnenenergie. Natürlich ist das Bündnis auch gegen den Einsatz von Kernenergie: zu teuer, zu riskant, zu schädlich für die Umwelt (s.a. hier).

Intransparente Millionen aus den USA

Algorithm Watch wurde 2017 als gemeinnützige GmbH gegründet. Sie besteht aus einem mindestens 30köpfigen Team („Wir respektieren den Wunsch unserer Kolleg*innen, die hier nicht mit einem Profil vorgestellt werden möchten“, heißt es auf der Webseite). Finanziert wird sie laut eigener Webseite unter anderem von der Mercator-Stiftung, der Schöpflin-Stiftung und dem in den USA angesiedelten Luminate-Netzwerk des eBay-Gründers Pierre Omidyar. Zusätzliche finanzielle Unterstützung kommt sowohl aus dem Verbraucherschutz- als auch dem Umweltministerium. Selbst aus dem Förderprogramm Demokratie Leben erhält die NGO zusammen mit vier anderen eine beträchtliche Förderung. Der Gesamtetat von Algorithm Watch hat sich von 2022 (EUR 1,2 Mio.) bis 2024 (EUR 2,05 Mio.) fast verdoppelt. Die NGO weist die Höhe ihrer einzelnen Zuwendungen allerdings nicht in ihren Berichten aus und unterwirft sich damit auch nicht den Transparenz-Empfehlungen der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ). Laut Eintrag im Lobbyregister des Deutschen Bundestags erhielt Algorithm Watch 2022 und 2023 durch verschiedene Stiftungen mehr als drei Millionen Euro, aus dem Verbraucherschutzministerium zudem zwischen 360.000 und 370.000 EUR und vom Umweltministerium zwischen 380.000 und 400.000 EUR. Zusammen mit vier anderen NGOs wird Algorithm Watch zudem für das Programm „Zukunft D“ mit 425.000 EUR von Demokratie Leben gefördert.

Noch mehr US-Geld dürfte die Koordinations-NGO Beyond Fossil Fuels beziehen. Das Budget des Berliner Vereins, der sich ein 35köpfiges Team von Campaignern, Managern, Analysten und Direktoren leisten kann, stammt zum größten Teil aus den USA, darunter der European Climate Foundation (ECF), der US-amerikanischen ClimateWorks Foundation und des ebenfalls in den USA ansässigen Schwab Charitable Fund.

Auch die ECF ist trotz ihres Adjektivs „European“ im Namen im Wesentlichen ein US-amerikanisches Finanzierungsinstrument. Ihre Hauptsponsoren stammen samt und sonders aus den USA: Ballmer Group, Bloomberg Philanthropies, Climate Imperative Foundation, Climateworks Foundation, Grantham Fundation, Hewlett Foundation, Hightide Foundation, Laudes Foundation sowie der Rockefeller Brothers Fund. Ironischerweise zählt auch die Quadrature Climate Foundation zu den Sponsoren der europäischen Kämpfer für das Klima. Quadrature ist eine Stiftung, die von milliardenschweren Hedgefonds-Chefs geführt wird, deren Investmentfonds 170 Millionen US-Dollar in Unternehmen für fossile Brennstoffe investiert haben.

Eine weitere Besonderheit der Berliner Anti-Rechenzentren-NGOs: Sowohl die ClimateWorks Foundation, die direkt und über die ECF in Algorithm Watch investiert, als auch der Schwab Charitable Fund sind so genannte Donor-Advised Funds. Das sind Spendenkanäle, die Geld von Privatpersonen und Unternehmen entgegennehmen und sie gegen einen prozentualen Anteil an der Spende anonym an die Umwelt- und Klimaprojekte weiterleiten, die die Spender unterstützen wollen, ohne als Sponsoren bekannt zu werden.

Wie viel Geld von wem genau an Beyond Fuels fließt, ist unbekannt, denn auch diese NGO ist nicht Mitglied der Initiative Transparente Zivilgesellschaft und veröffentlicht keine Finanz- oder Transparenzberichte. Im Klartext: Der Verein kann nach Herzenslust Spenden von US-Unternehmen und Milliardären entgegennehmen und sie in seinem Netzwerk weitergeben, ohne dass die Öffentlichkeit erfährt, wer die Spender sind und wessen Interessen sie wirklich vertreten. Mehr Intransparenz ist kaum vorstellbar.

Bislang gilt das Verbot, Spenden aus dem Ausland anzunehmen, nur für Parteien. Es wurde geschaffen, um auszuschließen, dass die politische Willensbildung aus dem Ausland beeinflusst wird. Das geschieht indessen längst durch NGOs, die mit millionenschweren Etats die Ziele ausländischer Milliardäre und Unternehmen vorantreiben. Ihnen scheint es ein Anliegen zu sein, in Europa bestimmte Branchen und Wirtschaftszweige zu fördern und andere zu schwächen. Deutschland zahlt gerade einen hohen Preis für seine Abhängigkeiten von Russland und China. Es sollte sich nicht auch noch durch andere Kräfte fremdsteuern lassen.

Ludger Weß