Neue Macht außer Kontrolle

Veröffentlicht: Mai 26, 2025

Gemeinnütziges Engagement oder politischer Aktivismus? Die Grenze ist bei vielen NGOs fließend.

Gemeinnütziges Engagement ist von elementarer Bedeutung. Zugleich sind NGOs zu einer mächtigen, weitgehend unregulierten Macht im Staat herangewachsen. Deshalb braucht es neue Regeln für sie – keine Einschränkung zivilgesellschaftlicher Freiheit, aber ein Höchstmaß an Fairness und Transparenz. Der nachfolgende Text ist ein Gastbeitrag der ITD-Vorsitzenden Dr. Anja Stürzl, der zuerst in der Welt vom 26. Mai 2025 erschienen ist.

Unsere Demokratie lebt vom offenen Streit der Meinungen, von Engagement, Eigeninitiative und Kritik. Doch sie braucht auch klare Regeln für politische Einflussnahme, Transparenz und Neutralität, insbesondere dort, wo privates Engagement mit staatlicher Unterstützung oder kaum nachvollziehbaren Finanzquellen zusammenkommt. Bislang fehlt es daran, was dazu führt, dass zunehmend Gruppen bei politischen Prozessen mitmischen, die weder gewählt noch reguliert noch kontrolliert sind.

Die Diskussion um die Rolle sogenannter „zivilgesellschaftlicher“ Akteure wird zunehmend polarisiert: auf der einen Seite die progressiven Verteidiger des Guten, auf der anderen konservative Kräfte, die einen „Anschlag auf die Zivilgesellschaft“ planten. Dabei gerät das Wesentliche aus dem Blick: In einer Demokratie geht es nicht nur um Beteiligung, sondern auch um Begrenzung. Macht muss kontrollierbar sein. Das Fundament dafür ist Transparenz.

Gemeinnütziges Engagement von herausragender Bedeutung

Vieles, was als „Zivilgesellschaft“ gefasst wird, ist unbestritten von elementarer Bedeutung: Freiwilliges Engagement in Kultur- und Sportvereinen, sozialen Projekten oder für die Umwelt verdient Respekt, Anerkennung und auch staatliche Unterstützung, etwa in Form von Steuererleichterungen oder Projektförderung.

Doch längst nicht jede als gemeinnützig deklarierte Organisation ist gleichzusetzen mit der Zivilgesellschaft im weiteren Sinne. Gerade bei politisch agierenden NGOs, die in sensiblen Bereichen tätig sind – Migration, Umweltpolitik, Geschlechterfragen, Schutz von Demokratie und Meinungsfreiheit – verschwimmen die Grenzen zwischen bürgerschaftlichem Engagement, staatlich geförderter Agenda und parteinaher Einflussnahme. Wer dort die politische Meinungsbildung prägt, müsste eigentlich unter besonders scharfer Kontrolle stehen.

Um eine Einflussnahme des Staates zu verhindern, kennt das Parteienrecht in Deutschland strenge Vorgaben für die staatliche Parteienfinanzierung. Doch bei der Finanzierung politisch agierender NGOs gibt es diese Klarheit nicht. Organisationen, die sich faktisch als Vorfeldorganisationen politischer Parteien gerieren, erhalten trotzdem öffentliche Mittel – sei es aus Bundesprogrammen wie „Demokratie leben!“ oder durch steuerliche Begünstigung.

Dabei ist gerade der Prozess der politischen Willensbildung grundgesetzlich als staatsfreier Raum definiert. Der Staat darf diesen nicht steuern, nicht verfälschen, nicht über Dritte dominieren. Das Bundesverfassungsgericht hat dies wiederholt klargestellt. Wenn NGOs jedoch mit staatlichen Mitteln Demonstrationen gegen politische Gegner organisieren oder politische Kampagnen fahren, besteht genau diese Gefahr.

NGOs tun jeden Tag, was für Parteien streng verboten ist

Politische Parteien sind zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung verpflichtet und müssen daher ihre Einnahmen offenlegen. Anonyme Großspenden sind ebenso verboten wie finanzielle Unterstützung aus dem Ausland. Der Grund ist klar: Die demokratische Souveränität soll vor externen Einflüssen geschützt werden. Für NGOs jedoch gelten solche Regeln nicht. Sie dürfen jederzeit Gelder aus dem In- und Ausland annehmen – von Regierungen, Unternehmen oder gar dubiosen Stiftungen. Was bei Parteien ein Skandal oder gar eine Straftat wäre, ist bei NGOs täglich gelebte Praxis. Wer politischen Einfluss mit fremdem Geld nehmen will, muss nur eine NGO gründen.

Viele NGOs sind als gemeinnützig anerkannt. Doch gemeinnützig ist laut Abgabenordnung nur, wer nicht „in erster Linie politisch tätig“ ist. Diese Grenze wird in der Praxis häufig überschritten und viel zu selten sanktioniert. NGOs, die offen gegen Gesetze agitieren oder politische Gegner anprangern, behalten dennoch ihren Status. 

Viele NGOs handeln also politisch, lobbyieren in Ministerien, nehmen Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren, müssen sich aber nicht politisch verantworten – und unterliegen kaum Verpflichtungen zur Transparenz. Doch ein Grundprinzip jeder Demokratie lautet: Wer Einfluss nimmt, muss Rechenschaft ablegen. Das gilt für Unternehmen, Medien, Kirchen – und sollte auch für NGOs gelten.

Deshalb braucht es neue Regeln – keine Einschränkung zivilgesellschaftlicher Freiheit, aber ein Höchstmaß an Fairness:

  • Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen oder Sonderrechte wie das Verbandsklagerecht genießen, müssen ihre Geldflüsse genauso offenlegen wie personelle oder strukturelle Verflechtungen zu Parteien.

  • In einem Register müssen staatlich geförderte Projekte samt Zweckbindung öffentlich einsehbar sein.

  • Und es braucht vor allem ein Bewusstsein dafür, dass private Organisationen keine hoheitlichen Aufgaben ausüben dürfen, ohne auch entsprechenden Anforderungen an Kontrolle, Rechenschaft und Transparenz zu genügen.

Macht braucht Kontrolle, Kontrolle braucht Transparenz

Unsere in der vergangenen Woche gegründete Initiative Transparente Demokratie versteht sich als Plattform zur Stärkung demokratischer Grundprinzipien, denn Demokratie funktioniert nur, wenn auch die neuen Machtakteure – ob im Gewand der Zivilgesellschaft oder als Expertennetzwerk – sichtbar, kontrollierbar und rechenschaftspflichtig werden.

Unsere Aufgabe sehen wir darin, aufzuklären, finanzielle und strukturelle Verflechtungen offenzulegen sowie konkrete Vorschläge für mehr Transparenz zu unterbreiten, denn nur auf der Grundlage transparenter Informationen kann die Öffentlichkeit sich ein Urteil bilden. Nur so können Parlamente und Bürger kontrollieren, ob Macht im Sinne der Demokratie ausgeübt wird.

In Zeiten zunehmender Polarisierung, in denen Begriffe wie „Zivilgesellschaft“ als politische Kampfbegriffe verwendet werden und in denen NGOs zu schlagkräftigen, finanzstarken Organisationen herangewachsen sind, braucht es eine Rückbesinnung auf rechtsstaatliche Klarheit. Die Grenze zwischen wichtigem gesellschaftlichem Engagement und politischer Einflussnahme muss wieder klar erkennbar sein. Sie ist in einer Demokratie unverzichtbar.

Es geht nicht um Misstrauen gegenüber NGOs. Es geht um das Misstrauen gegenüber unkontrollierter Macht. Deshalb braucht es mehr denn je Transparenz und Kontrolle. Und natürlich die Bereitschaft des Staates, die Demokratie nicht nur zu fordern, sondern sie auch durchzusetzen.

Dr. Anja Stürzl