Gleiches Recht für alle!

Veröffentlicht: Juni 15, 2025

Wirtschaft wird für Einfluss kritisiert – NGOs werden dafür belohnt

In der öffentlichen Debatte gilt wirtschaftlicher Lobbyismus häufig als anrüchig. Wenn aber Nichtregierungsorganisationen Politik beeinflussen, wird das meist als Fortschritt gefeiert. Diese Doppelmoral ist gefährlich. Denn auch NGOs betreiben professionellen Lobbyismus, vertreten Interessen, bewegen Millionenbudgets und haben direkten Zugang zur Macht: ein Plädoyer für mehr Transparenz und ein realistisches Bild zivilgesellschaftlicher Akteure und damit für echte Chancengleichheit im politischen Diskurs.

Von Lobbyismus ist in Deutschland meist nur dann die Rede, wenn Ex-Manager großer Firmen politische Ämter übernehmen. Wer früher bei RWE oder bei einem Energiedienstleister war und dann Wirtschaftsminister wird, gilt reflexartig als Vertreter der fossilen „Kohle/Gas/Atomlobby“. Selbst jemand, der vor Jahren im Vorstand einer Agrargenossenschaft war, wird für den Rest seines Lebens als „Lobbyist der industriellen Agrarindustrie“ geschmäht, ein Biowissenschaftler mit einem Patent gehört zur „Genlobby“. Wenn jedoch die Chefs von Umwelt-NGOs Minister, Staatsekretäre oder Abgeordnete werden, wird das als Errungenschaft gefeiert. Diese Doppelmoral ist nicht nur naiv – sie ist politisch gefährlich.

Denn Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind längst Teil des professionellen Lobby-Systems. Sie arbeiten mit Millionenetats, beschäftigen PR-Profis, liefern Gesetzesvorschläge, betreiben gezielte Medien- und Petitionskampagnen – und verfolgen dabei klare politische Interessen. Das ist legitim. Aber es ist eben auch Lobbyismus.

Absurde Züge jedoch nimmt es an, wenn NGOs wirtschaftsnahe Einflussnahme anprangern, NGO-Lobbyismus jedoch ausklammern. Für sie gilt: Unternehmen verfolgen Eigeninteressen – NGOs hingegen stehen für das Gemeinwohl. Dass viele dieser Organisationen millionenschwere und zum Teil global operierende Wirtschaftsbetriebe mit hunderten von Mitarbeitern sind, über enge Zugänge zu Ministerien und Medien verfügen und von ihren Führungspersonen strategisch geführt werden, wird ausgeblendet. 

Dabei ist die Interessenkonstellation offensichtlich: Wer eine Organisation mit mehr als hundert Angestellten, hoher Medienmacht und direktem Zugang zur Politik steuert, handelt nicht weniger machtbewusst als ein Wirtschaftsverband. Der Unterschied liegt nicht in der Motivation – sondern im Image. NGOs profitieren von einem moralischen Kredit, der längst überzogen ist.


Pluralismus heißt: alle Interessen müssen sichtbar sein

Eine Demokratie lebt davon, dass unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen Gehör finden – auch die, die marktwirtschaftlich denken und handeln. Deutschlands Verfassung garantiert Eigentumsfreiheit, Berufsfreiheit und Vereinigungsfreiheit. Sie verpflichtet zugleich auf das Prinzip eines sozialen Rechtsstaats, das soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern soll – eine Grundlage der sozialen Marktwirtschaft. Es ist also vollkommen legitim – ja notwendig –, dass Unternehmerinnen, Selbstständige, Angestellte und Führungskräfte politische Verantwortung übernehmen. Sie vertreten nicht bloß das viel geschmähte „Profitinteresse“, sondern erwirtschaften in ihren Betrieben Steuern, die dem Gemeinwohl zugute kommen. Wer die Welt aus wirtschaftlicher Perspektive betrachtet, ist kein schlechterer Demokrat – und schon gar nicht automatisch ein „Lobbyist im negativen Sinne“.

NGOs sind im Übrigen nicht die Zivilgesellschaft – sie sind nur ein Teil davon. Wer so tut, als stünde jede NGO per se auf der Seite des Guten, ignoriert die Vielfalt gesellschaftlicher Interessen. Einflussnahme wird erst dann zum Problem, wenn sie intransparent, einseitig oder moralisch verklärt daherkommt. Auch NGOs müssen sich der öffentlichen Kontrolle stellen – und der Erkenntnis, dass Gemeinwohl kein exklusives Vorrecht ihrer Szene ist.

Hasso Mansfeld