In einer internen E-Mail des ZDF, die der Initiative Transparente Demokratie vorliegt, bietet die Personalabteilung des Senders am 16. Oktober 2025 den Redaktionen Online-Kurse zu Migration, Integration, Rassismus und Antisemitismus an. Wörtlich heißt es:
„Die Personalentwicklung hat eine Reihe von informativen und praxisorientierten Web Based Trainings vom Mediendienst Integration erwerben können. Sie wurden von Journalist*innen produziert. Ein Wissensschatz mit vielen Zahlen und Fakten, Expert*innen Statements und interaktiven Übungen.“
Heißt also: Wie im Zweiten Deutschen Fernsehen über das große Themenfeld Migration berichtet wird, entscheiden die Journalistinnen und Journalisten des Senders neuerdings nicht mehr selbst, sondern unter Mitwirkung einer NGO, die nicht nur vom Staat finanziert, sondern für die digitalen Kurse auch noch von der Personalabteilung des größten öffentlich-rechtlichen Senders in Deutschland bezahlt wird. Damit niemand auf die Idee kommt, dass ein solcher Einfluss schwer mit der journalistischen Unabhängigkeit der Redaktionen vereinbar sein könnte, betont die Personalabteilung schon vorbeugend: „Die Web Based Trainings wurden von Journalist*innen produziert.“ Soll wohl heißen: „Ihr könnt die Filme ruhig nutzen, die Produzenten sind Journalistinnen und Journalisten wie wir und damit auf unserer Seite.“ Mit der Frage, wer die „Journalist*innen“ wirklich sind, beschäftigen wir uns später in diesem Text.
Verantwortet werden die Onlineseminare vom Rat für Migration e.V., einem 1998 gegründeten bundesweiten Zusammenschluss von knapp 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zu Themen wie Migration, Flucht, Asyl und Integration arbeiten. Eines seiner Highlight-Projekte: Der Mediendienst Integration. Er versteht sich nach eigener Darstellung als „unabhängige Informationsplattform“ für Journalistinnen und Journalisten, die zum Ziel hat, eine sachliche und differenzierte Berichterstattung rund um das Thema Migration zu gewährleisten. Maßgeblich initiiert und vorübergehend geleitet hat den Mediendienst die heutige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman. Aufgrund ihrer vielen provokanten öffentlichen Äußerungen war ihre Wahl 2022 vor allem in konservativen Kreisen hoch umstritten. Ataman ist zudem Mitgründerin und war von 2018 bis 2022 Vorsitzende des stramm linken Vereins Neue deutsche Medienmacher*innen (NdM). Die NdM verdanken ihre Existenz maßgeblich staatlicher Finanzierung.
Atamans anderes Projekt, der Mediendienst Integration, erfreut sich neben staatlicher, auch einer ganzen Reihe privater Förderer. Zu den Unterstützern gehören unter anderem
- die Freudenberg-Stiftung,
- die Marga- und Kurt Möllgaard-Stiftung,
- die Stiftung Mercator,
- die Robert Bosch Stiftung,
- die Amadeu Antonio Stiftung (selbst Empfänger vieler Steuermillionen),
- die Europäische Union,
- das Bundesinnenministerium sowie
- die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge, Integration und Antirassismus.
Mehr ist über die Finanzierung der NGOs nicht zu erfahren. Weder der Rat für Migration noch sein Mediendienst Integration veröffentlichen Finanz- oder Transparenzberichte. Nachfragen der ITD hierzu ließen beide Organisationen unbeantwortet.
Heißt also: Der Mediendienst Integration, eine staatlich unterstützte, aber weitgehend intransparente NGO, schult die Redaktionen eines durch Pflichtbeiträge finanzierten Senders, der gesetzlich zu einer besonderen Staatsferne verpflichtet ist. Zugleich sitzen im Fachbeirat des Mediendienstes, der die Plattform „fachlich beraten“ und „kritisch begleiten“ soll, ein gutes Dutzend Journalistinnen und Journalisten, unter anderem von Deutschlandradio, Deutsche Welle, 3sat, Süddeutscher Zeitung, Spiegel und: dem ZDF.
Haltungsschulung par excellence
In welche Richtung die Empfehlungen des Mediendienstes gehen, zeigen die Kursbeschreibungen und Deutungslinien, die noch vor einer Recherche festlegen, wie berichtet und gesprochen werden soll: „diskriminierungsfreier Umgang mit Sprache“, „sensible Berichterstattung“, „Stereotype differenziert einordnen“.
Was nach Professionalität klingt, ist in der Praxis jedoch eine Anleitung zu Wortwahl und Perspektive und damit eine politische Setzung. Die Fortbildung liefert hier nicht nur Wissen, sondern Lenkung. Wer diese Kurse nutzt, übernimmt leicht Sprache und Ton, die dort als Standard präsentiert werden.
Auffällig ist auch die Auswahl der thematischen Schwerpunkte: „Sensibilisierung“, „Terminologie“, „Minderheitenperspektiven“. Themen, die Millionen Menschen umtreiben, wie Integrationsprobleme, Konflikte in Städten und Gemeinden, Parallelstrukturen, Fehlanreize in Sozial- und Bildungspolitik oder Sicherheitsfragen ignoriert der Mediendienst dagegen völlig.

Die Tatsache, dass der Anteil von Ausländern in der polizeilichen Kriminalstatistik mit 37 Prozent deutlich höher liegt als ihr Bevölkerungsanteil (14 Prozent), erklärt Christian Walburg, Kriminologe an der Universität Münster, in einem der Seminare kurzerhand damit, dass viele kriminelle Ausländer ja nicht in Deutschland lebten. Viele Kriminelle seien auch „als Touristen“ hier. An anderer Stelle beklagt Konstantina Vassiliou‑Enz, bekannte linke Migrationsjournalistin und langjährige Kollegin von Ferda Ataman unter anderem bei den Neuen deutschen Medienmacher*innen, dass der Begriff Ausländer in den Medien überproportional häufig im Zusammenhang mit Kriminalität, Terror und Migration vorkäme. Ohne den Hauch eines Beleges zieht sie ihr Fazit: „Wir halten diese Verbindung für selbstverständlich, aber das ist sie natürlich nicht – wir glauben das nur.“ Problematisch sind laut Lehrinhalten auch Begriffe wie Flüchtling, Flüchtlingswelle oder Migrationshintergrund. Das Wort Asylmissbrauch beschreibe etwas, das es gar nicht gäbe und die Herkunft von Straftätern solle nur im Ausnahmefall genannt werden, da dies die Gefahr berge, Vorurteile zu schüren“.

Wieviel Ausgewogenheit die Journalistinnen und Journalisten des ZDF bei ihren Onlinetrainings erwarten dürfen, verrät jedoch am besten ein Blick auf die Autorinnen und Autoren der Filme. Denn die insgesamt zwölf Kurse, von denen die Personalabteilung des ZDF nur schreibt, sie seien „von Journalist*innen produziert“ , stammen mitnichten nur vom Mediendienst Integration. Wer sich die Kursbeschreibungen anschaut, stellt fest: Mit dabei sind zum Beispiel die schon häufiger erwähnten Neuen deutschen Medienmacher*innen. Sie verantworten zum Beispiel den Film „Sprache und Begriffe im Einwanderungsland“. Da „das Bewusstsein für den Einfluss von Sprache auch bei professionellen Spracharbeiter*innen nicht sehr ausgeprägt zu sein scheint“, gibt der Kurs der Neuen deutschen Medienmacher*innen „viele Anregungen und Tipps für einen diskriminierungskritischen Umgang mit Sprache“.
Im Gegenzug könnten die Spracharbeiter*innen der NdM vielleicht den ein oder anderen Tipp in Sachen Meinungsvielfalt gebrauchen. Denn wie wenig sie davon halten, haben sie erst vor wenigen Monaten bewiesen, als sie nach der Ausstrahlung einer migrationskritischen Dokumentation des öffentlich-rechtlichen Formats KLAR dazu aufriefen, den Bayerischen und Norddeutschen Rundfunk mit E-Mails zu bombardieren, um so Druck für einen redaktionellen Kurswechsel auszuüben.
Doch damit nicht genug. Auch die stramm linke Amadeu Antonio Stiftung mischt tatkräftig mit. Sie finanziert den Mediendienst Integration nicht nur, sondern ist ähnlich wie die NdM auch aktiv an der Produktion der Migrationsschulungen für das ZDF beteiligt: „Dieser Inhalt wurde erstellt von Imke Kummer, Nikolas Lelle, Helge Regner und Johanna Thiemecke für den Mediendienst Integration“, heißt es zum Beispiel in der Beschreibung des Webinars „Antisemitismus“. Alle erwähnten Personen arbeiten oder arbeiteten zum Zeitpunkt der Produktion des Films auch für Belltower News, die linke Redaktionsplattform der Amadeu Antonio Stiftung. Nikolas Lelle schreibt zudem auch für Jungle World, eine Wochenzeitung, die sich als „links, radikal und undogmatisch“ bezeichnet. Mit von der Partie war auch Belltower-Redakteurin Kira Ayyadi. Sie hält die Bildrechte am Seminar. Ayyadi, nach eigenen Angaben „Expertin für die extreme Rechte“, war Anfang Oktober bundesweit in den Schlagzeilen, weil sie auf einer Veranstaltung der Linkspartei dazu aufgerufen hatte, sich gegen die Redaktion von Apollo-News zu wehren und Tipps gegeben hatte, wie man dem Internetportal „auf die Tasten hauen“ und es aus seinem Berliner Kiez vertreiben könnte.
„Die Bundesregierung fördert mit dem Mediendienst Integration also eine NGO, die mit Unterstützung linker Journalisten und Aktivisten politisch tendenziöse und thematisch einseitige Inhalte und Schulungen produziert. Das ZDF wiederum, ein öffentlich-rechtlicher Sender, den per Gesetz die Allgemeinheit finanziert und der politische Distanz zu wahren hat, schult mit diesen Kursen seine Journalistinnen und Journalisten. Es braucht also keinen Anruf aus einem Ministerium oder einer Behörde mehr, um Wirkung zu erzielen. Der Einfluss entsteht früher: über die Auswahl der Themen, die empfohlenen Wörter, die Tonlage“, betont Dr. Anja Stürzl, Vorsitzende der Initiative Transparente Demokratie. „So bildet sich ein Kreislauf, ein Kurzschluss: Staat, NGOs und Medien bestätigen sich gegenseitig, die kritische Distanz schrumpft – und keiner der Beteiligten sieht offenbar ein Problem darin.“

Dr. Anja Stürzl, Vorstandsvorsitzende der Initiative Transparente Demokratie e.V. (ITD)
Framing 2.0
Der Fall erinnert an den des Mitteldeutschen Rundfunks im Jahr 2019. Damals war bekannt geworden, dass der Sender, als er den Vorsitz der ARD innehatte, beim Berkeley International Framing Institute für 120.000 Euro ein Framing Manual sowie mehrere Workshops in Auftrag gegeben hatte. Ziel war, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Anleitungen an die Hand zu geben, wie sie über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprechen sollten. Das vermeintlich internationale Institut stellte sich als One-Woman-Show der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling heraus. Wehling hatte dem MDR damals vorgeschlagen, die private Konkurrenz „profitmaximierende Sender“ oder „medienkapitalistische Heuschrecken“ zu nennen. Der Rundfunkbeitrag solle als „unser gemeinsames Beitrags-Budget“ bezeichnet werden. Kritik an der Zwangsgebühr sei ein politischer Angriff auf demokratische Grundwerte.
In der Diskussion um die zukünftige Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wollte der MDR Journalistinnen und Journalisten der ARD also zu systematischem Framing animieren. Geht das Framing jedoch in die entgegengesetzte Richtung, ist die Empörung bei den Öffentlich-Rechtlichen sehr schnell sehr groß. Erst vor wenigen Wochen hatte sich Monitor-Chefredakteur Georg Restle auf der Plattform X darüber beklagt, dass Kulturstaatsminister Wolfram Weimer es gewagt hatte, den Rundfunkbeitrag als „Zwangsbeitrag“ zu bezeichnen. Der Ausdruck sei „der zentrale Kampfbegriff einer ultra-rechten Kampagne“, so Restle. Weimer sei dadurch „untragbar“ geworden.
Strukturelle Verschiebung der Macht
Das jetzige Vorgehen des ZDF geht allerdings noch weiter. Es wirft mehr Fragen auf als die reine Auseinandersetzung mit Inhalten, denn es bedeutet eine strukturelle Verschiebung der Machtverhältnisse. Wenn staatlich mitfinanzierte NGOs sich daran beteiligen, wie in öffentlich-rechtlichen Sendern gesprochen und berichtet wird, werden sie zu einer faktischen, kaum kontrollierten Instanz innerhalb des Staates. Die Trennlinie zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement und staatlicher Einflussnahme verschwimmt. Aus einem pädagogischem Angebot wird normativer Druck – und zwar genau dort, wo eigentlich redaktionelle Freiheit dominieren sollte.
Niemand bestreitet den Bedarf an Fortbildung, gerade in sensiblen Bereichen des öffentlich-rechtlichen Journalismus. Wer aber Vielfalt will, muss sie in der Weiterbildung abbilden: neben Sensibilisierung auch Angebote, die Risiken, Nebenwirkungen und Fehlentwicklungen unvoreingenommen prüfen; neben Sprachregeln vor allem Methodentraining – Daten, Recht, Recherchewerkzeuge. Es geht nicht um Gegenideologie, sondern um Auswahl, Transparenz und Pluralität.
Staatsferne entscheidet sich überwiegend vor der Sendung. Sie ist Ergebnis von Besetzung, Verfahren, Finanzierung, Compliance und Fortbildungswegen. Welche Personen in Gremien sitzen, wie Aufsicht organisiert ist, welche Anbieter die Qualifizierung prägen und wie Geldströme verlaufen: all das legt den Rahmen fest, in dem Redaktionen später agieren. Ohne tragfähige Vorfeld-Strukturen schrumpft die Distanz, noch bevor eine Zeile geschrieben oder ein Beitrag abgedreht ist. Programmfreiheit braucht diesen strukturellen Schutz. Nur wer das ernst nimmt, stärkt Glaubwürdigkeit und schützt den öffentlichen Auftrag vor schleichender Normierung. Denn wenn Haltung die Recherche ersetzt und pädagogische Kontrolle die journalistische Freiheit, verliert der Rundfunk genau das, was ihn legitimiert.